Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 27. September 2011

Kurzer Bericht von der Verhandlung des XI. Senats am 27.09.2011 i.S. Lehman-Zertifikate (Hamburger Sparkasse)

Az.: XI ZR 182/10 und XI ZR 178/10
Der Verfasser dieses Berichts war heute als interessierter Prozessbeobachter in Karlsruhe. In Anbetracht der bislang sehr dünnen Berichterstattung der Agenturen erlaubt sich der Verfasser in aller Schnelle auf einige Besonderheiten der Verhandlung hinzuweisen:
Der Vorsitzende machte zunächst deutlich, dass mit zwei Verhandlungen nicht sämtliche Facetten der Lehman-Fälle behandelt werden könnten. Mehr als 40 Revisionen seien bereits anhängig. In diesem Zusammenhang erwähnte der Vorsitzende explizit, dass man bereits im April 2011 einiges Grundsätzliches in Sachen Lehman zu sagen gehabt, wenn nicht die dortige Rechtsmittelführerin (Frankfurter Sparkasse) die Revision zurück genommen hätte. Auch diese Verfahren, die sich durch Rücknahme der Revision erledigt haben, seien nicht mit den zur heutigen Verhandlung stehenden zu vergleichen gewesen... 
Folgende Prüfungsschema ging der Senat durch:
1. Anlageberatungsvertrag
Ein solcher sei unstreitig gegeben. An dieser Stelle wehrte sich der Vorsitzende gegen die teilweise Kritik an der sog. Swap-Entscheidung des Senats durch eine renommierte deutsche Zeitung. Der anwesende Kollege und Journalist Joachim Jahn durfte sich sichtlich amüsiert anhören, dass seine in der FAZ offensichtlich geäußerte Kritik am angeblichen Konstrukt Beratungsvertrag wörtlich "hanebüchen" sei.  Der Beratungsvertrag jedenfalls sei kein Konstrukt, so der Vorsitzende. Immerhin hätte es einmal Banken gegeben, die sich Beraterbank nannten, so Wiechers.
2. Anlegergerechte Beratung
Verstöße gegen die anlegergerechte Beratung musste der Senat nicht thematisieren, da solche nicht angegriffen worden seinen.
Sämtliche nachfolgenden Erwägungen des Senats erfolgten daher unter der Überschrift "Objektgerechte Beratung". 
3. Objektgerechte Beratung
Nach Auffassung des Senats müsse man stets (!) das "allgemeine" und das "konkrete" Emittentenrisiko trennen. Eine beratende Bank müsse den Anleger darauf hinweisen, dass sein gesamtes Geld verloren sein könne, wenn der Emittent insolvent würde. Zwar sei dies möglicherweise nicht überraschend, im Rahmen einer Beratung sei hierüber gleichwohl aufzuklären!
In den beiden zur Verhandlung stehenden Fällen sei jedoch unangreifbar in den VorInstanzen festgestellt worden, dass die Bank dieser Pflicht genügt hätte. Insoweit brauche der Senat hierzu (richtigerweise!) nichts weiter sagen.
Über das konkrete Emittentenrisiko müsse nur aufgeklärt werden, wenn Anhaltspunkte für z.B. eine schlechte Bonität des Emittenten vorlägen. Nichts dergleichen sei in den Vorinstanzen vorgetragen worden, so dass (richtigerweise!) keine Veranlassung bestünde die Bonität von Lehman zwischen Dezember 2006 und Oktober 2007 zu untersuchen. Das Rating sei gerichtsbekannt auch bis Oktober 2007 unverändert ("gut") gewesen. 
Eine Hinweispflicht auf die fehlende Einlagensicherung sei "sinnlos", so der Vorsitzende. Wem pflichtgemäß das allgemeine Emittentenrisiko vor Augen geführt wurde, der nimmt zur Kenntnis, dass er einen Totalverlust erleiden kann. Ihm dann noch zu sagen, dass er auch von anderer Seite nichts zu erwarten hat, könne nicht gefordert werden.           
4. Gewinnmarge
In den streitgegenständlichen Fällen ging der Senat von sog. Festpreisgeschäften aus. Unklar blieb, ob dies aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz oder aufgrund eines unstreitigen Sachverhalts zu Grunde gelegt wurde. Jedenfalls verwahrte sich der Bevollmächtigte der Kläger u.a. auch hiergegen. Er ging vom Kommissionsgeschäft aus (!), da die Sparkasse das Festpreisgeschäft nicht bewiesen habe.
Jedenfalls, so der Senat, sei die echte Marge (die auch teilweise als "Discount" oder "Rabatt" bezeichnet wurde) in Höhe von 3,8% nicht aufklärungsbedürftig. Es fehle bereits am drei Personenverhältnis. Im Übrigen sei das Gewinnstreben der Bank nicht zu beanstanden. Warum der zusätzlich an die Bank geflossene Ausgabeaufschlag in Höhe von 1,00 % -der offen ausgewiesen wurde- nicht aufklärungsbedürftig sei, wurde m.E. nicht erläutert. Der Bevollmächtigte der Kläger griff gerade diesen Punkt zu Recht an. Der Bevollmächtigte der beklagten Sparkasse versuchte zu argumentieren, dass der Ausgabeaufschlag quasi zur Gewinnmarge gehöre, was im Hinblich auf die sonstige BGH-Rechtsprechung (zu Ausgabeaufschlägen) nicht wirklich überzeugt.       

Die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen geben vor, dass Wertpapiergeschäfte grundsätzlich als Kommissionsgeschäft ausgeführt werden, es sei denn es wird ein Festpreisgeschäft vereinbart. Die Darlegungs- und Beweislast für das Festpreisgeschäft dürfte damit bei der Bank liegen. In den BGH-Fällen, die verhandelt wurden, ist offensichtlich der Behauptung der Bank im Hinblick auf das Festpreisgeschäft seitens der Anleger nicht (rechtzeitig) entgegengetreten worden. Bei zahlreichen Verfahren des Unterzeichners ist dagegen unstreitig, dass die Lehman-Zertifikate als Kommissionsgeschäft vertrieben wurden (z.B. Frankfurter Sparkasse). In anderen Fällen sprechen Indizien (ggf. Urkundsbeweis) für das Kommissionsgeschäft (Commerzbank erwähnt "Kurs" und "Börse" auf der Wertpapierabrechnung; Citibank bzw. Targobank ausdrücklich "Kommissionsgeschäft"). Hieran wird ein Gericht nicht ohne Beweisaufnahme vorbeikommen, wenn man von der Aufklärungsbedürftigkeit beim Kommissionsgeschäft ausgeht (so. z.B.  Joachim Jahns Interpretation der BGH-Verhandlung, FAZ 28.09.2011). Günstiger sieht es für die zahlreichen Volks- und Genossenschaftsbanken (COBOLD-Anleihen) aus, die auf der Wertpapierabrechnung sauber von "Preis" (nicht Kurs) und stets "Festpreisgeschäft" auf die Abrechnung schreiben.    
Die Hoffnungen von vielen Lehman-Geschädigten waren groß, die Enttäuschung ist es ebenfalls (Zit. FTD). Ganz so enttäuschend verlief der Tag m.E. nicht. Denn es ist für viele Beobachter offenbar völlig untergegangen, dass der BGH von einer Aufklärungspflicht bezüglich des Emittentenrisikos definitiv ausgeht. An einer solchen fehlte es -anders als in den BGH-Fällen- in der Praxis aber sehr häufig. Zudem können Anleger eine Aufklärungspflicht über das konkrete Emittentenrisiko im Einzelfall sicher ab März 2008 darlegen und ggf. beweisen. 
Viele Banken haben die Zertifikate als Kommissionsgeschäft vertrieben. Hier kann weiter von einer Aufklärungspflicht ausgegangen werden. Auf ein Wort hierzu im Urteil (obiter dictum) hofft:
RA Matthias Schröder

Freitag, 23. September 2011

BGH verhandelt am 27.09.2011 erstmals zum Massenschaden mit Lehman-Zertifikaten

Ursprünglich sollte am nächsten Dienstag (27.09.2011) um Uhr in Karlsruhe ein Verhandlungsmarathon von drei Verfahren gegen die Hamburger Sparkasse beginnen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen Rechtsfragen, wie z.B. der tatsächliche Risikogehalt von Zertifikaten und das Bestehen von Aufklärungspflichten in Bezug auf Gewinnmargen und das sog. Emittentenrisiko. Nunmehr hat sich der Terminplan für Deutschlands oberste Zivilrichter erneut verkürzt und der Verhandlungstag beginnt jetzt erst um Uhr. Eines der Rechtsmittelverfahren wurde nämlich durch Rücknahme der Revision schon vor der Verhandlung beendet. Die Befürchtung, dass auch in den beiden verbliebenen Verfahren noch vor der Verhandlung die Rechtsmittel zurück genommen werden, ist eigentlich gering, da Rechtsmittelführer nicht die Bank sondern die Geschädigten sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte allerdings bereits im April 2011 eine Verhandlung in Sachen Lehman-Zertifikate anberaumt, seinerzeit gegen die Frankfurter Sparkasse. Kurz vor der -von Anlegern, Banken und Gerichten bundesweit gleichermaßen herbeigesehnten- Verhandlung zog die Bank ihr Rechtsmittel zurück und ließ die ursprüngliche anlegerfreundliche Entscheidung des OLG Frankfurt am Main rechtskräftig werden. Auf Seiten der Bank begründete man den Schritt damit, dass man sich die Angelegenheit noch einmal angesehen und zu einer neuen Beurteilung gekommen sei. Objektiv wird es wohl eher die Befürchtung gewesen sein, stellvertretend für alle Banken und in öffentlicher Verhandlung vor versammelter Presse die Schelte der höchsten deutschen Zivilrichter einzustecken, die die Bank zum Rückzieher und zum Schuldeingeständnis brachte. Dem Bankensenat in Karlsruhe wurde damit jedoch die Möglichkeit genommen, die für das Verfahren vorbereiteten Gedanken einer nach Erhellung lechzenden interessierten Öffentlichkeit zu verkünden. Aus Pressemitteilungen des BGH konnten Fachleute eine gewisse Verschnupftheit über das Vorgehen der Bank lesen, dass bei anderer Gelegenheit mit anderen Beteiligten vom Vorsitzenden des Bankensenats beim BGH bereits angeprangert wurde. Und so kam es, dass durch eine gewiss zulässige Wahrung von Parteirechten nach wie vor jedes Wort des BGH zur causa Lehman fehlt und nicht nur jedes Landgericht und jede dort zur Entscheidung berufene Kammer sondern auch jedes Oberlandesgericht und alle dort angerufenen Senate seit  drei Jahren ohne jede Orientierung auskommen müssen.

Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die beiden verbliebenen Verfahren (BGH XI ZR 178/10 –Hanseatisches OLG, Urt. v. 23.04.2010- 13 U 118/09 und BGH XI ZR 182/10- Hanseatisches OLG, Urt. vom 23.04.2010- 13 U 117/09) auch tatsächlich zur Verhandlung und zum Urteilsspruch kommen. Man wird mit diesen beiden Fällen nicht sämtliche Fallkonstellationen der unzähligen verschiedenen Lehman-Zertifikate und der unterschiedlichen Vertriebsmethoden behandeln können, ein wichtiger Anfang wäre aber gemacht. Vertrieben wurden die Zertifikate von der hier beklagten Sparkasse beispielsweise im Wege des sog. Festpreisgeschäfts bei dem die Bank Gewinnmargen vereinnahmte. Die Beratungszeitpunkte waren einmal Dezember 2006 und einmal Oktober 2007. Andere Banken haben dagegen bis in den Juni 2008 die streitigen Zertifikate empfohlen oder diese im Wege des Kommissionsgeschäfts vertrieben.