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Dienstag, 3. April 2012

Vorschau auf Urteilsbesprechung: OLG Frankfurt am Main - 19 U 124/11

A.      Problemstellung


Um die Pflicht zur anlegergerechten Beratung zu erfüllen, muss die beratende Bank grundsätzlich in jedem Einzelfall prüfen, ob ein von ihr empfohlenes Wertpapier den Vorstellungen und den Vorgaben des Anlegers gerecht wird (anlegergerechte Beratung) und des Weiteren alle für die Anlageentscheidung risikorelevanten Umstände von wesentlicher Bedeutung mitteilen (objektgerechte Beratung). Seit dem Jahre 2008 und den massenhaft eingetretenen Schäden mit so genannten „Zertifikaten“ beschäftigen sich die Instanzgerichte mit Beurteilungen, wie riskant die unterschiedlichen Zertifikate sind, ob sie zu den Vorgaben und Vorstellungen der Anleger passten und was im Einzelnen in Bezug auf die Risiken mitzuteilen war. Die hier besprochene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main berücksichtigt bereits die ersten beiden Entscheidungen des BGHs vom 27.09.2011 zu Zertifikaten von Lehman Brothers (BGH, Urt. v. 27.09.2011 - XI ZR 178/10 und 182/10), deren schriftliche Begründungen einen Monat vor der hier verkündeten Entscheidung veröffentlicht wurden.

B.      Inhalt und Gegenstand der Entscheidung


Das Oberlandesgericht hatte sich mit dem Rechtsmittel einer erstinstanzlich unterlegenen Sparkasse zu beschäftigen, die vom Landgericht in der Hauptsache vollumfänglich zum Schadensersatz verurteilt wurde. Die Anleger erwarben nach einem Beratungsgespräch am 24.01.2007 für rund 20.000 Euro ein Zertifikat des Emittenten Merrill Lynch. Das Zertifikat mit einer Laufzeit von maximal vier Jahren war als Alpha-Expresszertifikat ausgestaltet und setzte als Basiswert auf den Vergleich bzw. die Besserentwicklung eines vom Emittenten des Zertifikates berechneten Index gegenüber dem DAX-Index. Am 08.03.2011 wurde das Zertifikat durch die Emittentin zurückgezahlt. Hierbei entstand den Anlegern ein Verlust in Höhe von rund 6.000 Euro. Die Kläger reklamierten eine nicht anleger- und nicht objektgerechte Beratung durch die beklagte Sparkasse. Die Sparkasse verteidigte die Beratung als pflichtgemäß und erhob die Einrede der Verjährung nach § 37 a WpHG a.F. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, weil gegen die Pflicht zur objektgerechten Beratung vorsätzlich verstoßen worden sei. Das Landgericht hat mehrere Verstöße gegen notwendige Hinweispflichten festgestellt, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder vom Anlageberater mündlich erteilt wurden, noch den verwendeten schriftlichen Produktinformationen entnommen werden konnten. Unter Hinweis auf höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 17.09.2009 - XI ZR 264/08 und OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.12.2010 - 19 U 22/10) ist das Landgericht von einer Beweislastumkehr ausgegangen, da der vom Landgericht als zumindest unvollständig gewürdigte Produktflyer Verwendung fand. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts gehalten und in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine Verletzung der erforderlichen Aufklärungspflicht hinsichtlich des allgemeinen Emittentenrisikos festgestellt.



C.      Kontext der Entscheidung

Zur grundsätzlichen Aufklärungsbedürftigkeit hinsichtlich des allgemeinen Emittentenrisikos verweist das OLG Frankfurt am Main auf das Urteil des BGH vom 27.09.2011(BGH, Urt. v. 27.09.2011 - XI ZR 182/10 Rn. 26). Das Oberlandesgericht benutzt in diesem Zusammenhang den Begriff des "allgemeinen Emittentenrisikos", nachdem der BGH den vorgenannten Begriff zusammen mit dem hiervon zu unterscheidenden "konkreten Emittentenrisiko" quasi als Terminologie einführte und stellt fest, dass das Landgericht von eben diesem allgemeinen Emittentenrisiko spricht, wenn dort von der Gefahr der Illiquidität der Emittentin und dem Totalverlustrisiko die Rede ist.